Dienstag, 26. Mai 2009

Zensursula und 1 Kilo Pappe im Magen

Manch eine fragt sich, was wohl als nächstes kommen mag.
Was unsere Lieblingsministerin als nächsten Punkt auf Ihrer Weltverbesserungsliste abhaken wird. DVDs mit hässlichen FSK-Flatschen versehen, die auch eine sehbehinderte Ministerin auf 50 Meter Entfernung noch erkennen kann - erledigt.
Die Industrie zu Wendecovers für ihre DVDs zwingen - erledigt. Eine Zensurinfrastruktur schaffen und in der Presse als Kinderpornosperre verkaufen - erledigt.

Man merkt schon - diese Gebär- und Zensurmaschine ist ähnlich schwer aufzuhalten wie ein Juggernaut. Die FSK-Flatschen waren ja schon eine Frechheit und führen höchstens zu einer exponentiellen Absatz-Steigerung von Import-DVDs, sicherlich aber zu keinem besseren Jugendschutz. Folgendes Zitat lässt nur vermuten, dass Frau von den Laien an einer ernsthaften Sehschwäche leidet:

""Wir schließen mit der Gesetzesänderung entscheidende Lücken, um den Jugendschutz gezielt zu verbessern", sagt Ursula von der Leyen. "Vielfach sind derzeit die Kennzeichen, die Altersangaben und somit Abgabeverbote deutlich machen sollen, nur mit der Lupe zu lesen, das bringt in der Praxis rein gar nichts. Demnächst kann man auf den ersten Blick erkennen, ab welchem Alter Spiele und Filme für Kinder und Jugendliche freigegeben sind", so die Bundesfamilienministerin."

QUELLE

Als ob das nicht genug wäre, ist die Kinderpornosperre ja wohl der Gipfel der technischen Inkompetenz. Wieso nehmen sich manche Politiker eigentlich generell Themen (und Ämter) vor, von denen sie nichts verstehen?
"Kinderpornos sperren!" - jawoll, da jubelt das Volk! Das böse, böse Internet, da müsste ja schon längst was dagegen gemacht worden sein... früher hätt's sowas sowieso nicht gegeben, da hätte man sie verbrannt, die ganzen Kinderpornoseiten!
Gott sei Dank gibt's ja auch keine öffentlichen DNS-Server und Anleitungen auf Youtube, wie sich die wahnsinnig geistreiche und innovative Sperrtechnik innerhalb von 30 Sekunden auch von jedem ComputerBILD-Leser umgehen lässt.
Tja, da werden die ganzen Pederasten wirklich an der Quelle bekämpft! Lassen wir die Server mit den Kinderschänderfilmchen einfach stehen und sperren dafür die Seiten über DNS-Einträge - wieso aufwendig, wenn's doch auch so einfach geht? Und das Gute an der Sache ist - wenn uns in Zukunft irgendeine andere Seite nicht ins politische Konzept passt - hey, dann lassen wir sie einfach auf die Sperrliste setzen! China macht das ja auch und was die Chinesen können, können wir schon längst. Internet 2.0 - Censored for your convenience.

Passend zum Thema - ich durfte neulich das zweifelhafte Vergnügen haben, einen Film zu sehen, auf den ich knapp ein dreiviertel Jahr lang gewartet habe (nachdem ich ihn auf dem "Fantasy Film Fest" 2008 verpasst hatte) - die Rede ist von "Martyrs", einem Werk, das auf den ersten Blick auf der französischen Terrorfilm-Welle zusammen mit "High Tension", "Inside" und "Frontière(s)" mitzuschwimmen scheint, auf den zweiten jedoch meilenweit davon entfernt ist. Kein Torture-Porn wie "Hostel", kein Slasher wie "Frontière(s)", eher schon ein Drama und daher ungewöhnlich schwerer zu konsumieren. Das Gefühl, das Haneke's "Funny Games" von 1997 ohne explizite Gewalt zu zeigen im Zuschauer hervorrief, schafft dieser Film mit krasser Gewalt - zwar weniger exzessiv und stilisiert als noch in "Inside", aber realistischer und vermeintlich grundloser und daher auch problematischer. Selbst in Noé's "Irréversible" steckte - trotz einer der unschönsten Szenen der Filmgeschichte (Stichwort Feuerlöscher) - noch ein Grund dahinter, der sich dem Zuschauer zwar auch erst später erschließt (und durch eine nicht minder abartige 15-minütige Sequenz zu rechtfertigen versucht wird), die Auflösung von "Martyrs" ist jedoch dermaßen banal, dass man sich fast eine "Grundlosigkeit", wie bei "Funny Games" gewünscht hätte, die den Zuschauer über die Beweggründe der Täter im Dunkeln lässt.

Das Corpus Delicti wurde also von der Juristenkommission der SPIO geprüft, für "strafrechtlich unbedenklich" befunden und ungeschnitten - für den Verleih - veröffentlicht. Es geschehen also doch noch Wunder. Zwar gibt es keine Kaufhausversion des Films (besser ist das!), dennoch kann ihn sich jeder Erwachsene ungeschnitten besorgen. Eine Zeit lang konnte man sich die Verleih-DVD auch einfach regulär bei Amazon bestellen, obwohl nicht indiziert, wurde er inzwischen trotzdem aus dem Angebot genommen.
Danke Google Cache sind aber die Kunden-Rezensionen von Amazon noch verfügbar, bei Interesse: HIER und ebenfalls eine gute Rezension (aus der OFDB) HIER.
Sehr interessant zu lesen übrigens, sowohl die positiven, als auch die negativen - selten wurde über einen Film so heiß diskutiert. 4,5/5 Sternen bei Amazon sagen IMHO auch einiges aus.
Dennoch spreche ich an dieser Stelle keine Empfehlung aus, da ich nicht für bleibende Schäden bei zart besaiteten Gemütern verantwortlich sein möchte... "Martyrs" wirkt nämlich nicht unmittelbar, sondern wirkt nach (und das recht intensiv), was für manch einen Zuschauer ziemlich ungewohnt sein dürfte.

Wozu das ganze Blabla? Die Franzosen geben Filme (Spielfilme, keine Pornographie) generell ab 16 Jahren frei. Der letzte Film, der ab 18 freigegeben wurde, war im Jahr 2000 "Baise-Moi" und der war eine (recht dürftige) Mischung aus "Natural Born Killers" und Hardcore-Porno. "Martyrs" wurde jedenfalls zuerst auch ab 18 eingestuft (was in Frankreich einer Indizierung gleichkommt), bis sich, nach zahlreichen Protesten und medienwirksamen Aktionen, die französische Kultusministerin Christine Albanel persönlich dafür einsetzte, dass der Film wieder auf 16 heruntergestuft wird, was dann auch geschah.

In den Niederlanden und in Skandinavien ist das übrigens ähnlich, dort gibt es meines Wissens nach kaum Zensur, geschweige denn Filme, die ab 18 eingestuft oder gar indiziert werden. Und trotzdem laufen - oh Wunder - weder in Frankreich, noch in den Niederlanden oder Skandinavien die Kinder reihenweise Amok.

In Deutschland würde sich die zuständige Ministerin wahrscheinlich an ihrem heißen Kaffee verschlucken, würde man mit einem ähnlichen Anliegen an sie herantreten.

Auch bei Computerspielen sehen das unsere Nachbarländer geringfügig lockerer, nur als Beispiel:

"Dass die größte Lan-Party der Welt regelmäßig in Schweden steigt, sei nicht weiter verwunderlich. "Videospiele sind hier längst gesellschaftsfähig" [...] Tatsächlich dürfen in Schweden selbst Minderjährige Spiele spielen, die in Deutschland auf dem Index sind. Schwedische Experten sind der Meinung, dass ein Zusammenhang zwischen echter und virtueller Gewalt nicht bewiesen werden kann. Im Gegenteil: Laut einer Studie des schwedischen Gesundheitsministeriums erhöhen Computerspiele die Reaktions- und Teamfähigkeit."

QUELLE

Im Gegensatz dazu gibt es natürlich auch Negativbeispiele, wie die schokihungrigen Schweizer, die dem schlechten, deutschen Vorbild nacheifern: LINK
Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Schweizer bei der hierzu anstehenden Volksinitiative richtig entscheiden.

Zurück nach Deutschland - im März hat "Galeria Kaufhof" erklärt, ab April keine nicht-jugendfreien Spiele mehr zu verkaufen (Quelle), dem ist jetzt auch "Marktkauf" gefolgt (Quelle) und nimmt alle USK-18 Titel aus dem Programm.

Erwähnenswert wäre in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch eine News aus der musikalischen Ecke und zwar, dass sich "Green Day" mit ihrem neuen Album "21st Century Breakdown" in den USA weigerten, eine speziell für "Wal-Mart" angefertigte, zensierte Version zu produzieren, da sie das als Verfälschung ihrer Kunst ansehen. Man muss dazu sagen, dass "Wal-Mart" in Amerika mittlerweile der größte Umschlagsplatz für Musik-CDs ist und es daher gang und gäbe ist, dass Künstler speziell für "Wal-Mart" eine "Clean Version" ihres Albums anfertigen müssen. Selbst "Eminem" hat sein neues Album in zwei Versionen veröffentlicht - da hatte das Tontechnikerteam wahrscheinlich soviel Arbeit mit Wegpiepen, dass die Clean Variante auf AMAZON ungelogen fast doppelt so teuer ist (EUR 17,95) wie die unzensierte Version (EUR 9,95). (Anm.: Seit wann kosten neue Alben eigentlich nur noch EUR 9,95?!)

Jedenfalls verstößt "Green Day" damit gegen die Firmenpolitik von "Wal-Mart", sprich ihr Album wird in der Kette nicht verkauft, folglich geht beiden ein dicker Brocken an Einnahmen flöten. Umso mehr eine sehr anerkennenswerte Einstellung! Billie Joe Armstrong sagt dazu:

"We just said no. We've never done it before. You feel like you're in 1953 or something. [...] If you think about bands that are struggling or smaller than Green Day ... to think that to get your record out in places like that, but they won't carry it because of the content and you have to censor yourself," he said. "I mean, what does that say to a young kid who's trying to speak his mind making a record for the first time? It's like a game that you have to play. You have to refuse to play it."

QUELLE

Zum Schluß möchte ich noch jedem, der bis hierhin gelesen hat, eindringlich davon abraten, an einem dieser zur Zeit laufenden, dekadenten Burger-King All-You-Can-Eat-And-Drink Events (LINK) teilzunehmen, es sei denn, ihr habt Bock auf 1 Kilo Pappe im Magen. Schockierenderweise geht auch garnicht soviel rein, wie man denkt und plant (selbst nach Dehnung des Magens durch 1,5l Wasser in 10 Minuten am Vorabend und 24-stündiges, vorheriges Fasten), da einem nach dem ersten All-You-Can Tablett der Magen dermaßen verklebt ist, dass auch das typische "in 'ner halben Stunde hat man eh wieder Hunger" nicht eintritt. Geschafft habe ich trotzdem:

1x Texican Burrito / 626kcal / 2,99€
1x Texican Whopper / 977kcal / 4,29€
1x Triple Whopper + Extra Bacon / 1057kcal (o. Bacon) / 5,79€
2x Onion Rings / 556kcal / 3,98€
2x Chili Cheese Nuggets / 732kcal / 5,98€
1x große Cola / 210kcal / 1,99€
1x großer Caramel Shake / 264kcal / 1,99€
1x Hot Muffin Caramel Crisp / 317kcal / 1,89€
0x Big King XXL / n/a (nur 2 Bissen) / 4,29€
4x Sour Creme / n/a (keine Angabe) / 0,80€


Knapp 30 Minuten, 4739 Kalorien (hier wurden nicht miteinberechnet: 1x Extra Bacon, 4x Sour Creme Sauce, 2 Bissen Big King XXL) und zwei Übelkeitsanfälle später, war ich schon stolz darauf, 33,99 Euro verfressen zu haben und durfte mich mit leichter bis mittelschwerer Magenverstimmung nach Hause schleppen, um erstmal zwei Stunden auf meinem Bett zu liegen (auf dem Rücken wohlgemerkt). Die Verdauungsgeräusche setzten erst Stunden später ein - auf dem Bauch liegen ging aber trotzdem noch nicht und seitwärts nur unter Schmerzen. Übrigens - ganz anders als bei Morgan Spurlock ging's mir am nächsten Morgen überraschenderweise blendend und - viel schlimmer: ich hatte wieder Bock auf Burger...
Ein Kindertraum wurde wahr (und das für 10 Euro!), allerdings kein sonderlich gesunder...

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